Zum Fluß Zschopau

 

 Eine Fluß- Geschichte... 
 Ein Steckbrief des Flusses

 

 
Die Zschopau und ihr mitunter tief eingeschnittenes Tal ist für die Betrachtung einiger angrenzender Bergbaugebiete ein „roter Faden“, der sich durch die Landschaft etlicher Naturräume zieht und uns auf eine virtuelle Reise mitnimmt.

Die Zschopau war seit jeher eine wichtige Lebensader zur Entwicklung der Region und auch Leitfaden der letzten, neuzeitlichen Besiedlung ab dem 12. Jahrhundert. Dieser Fluß mit offenen Felslandschaften war ebenso ein Leitpfad für urgeschichtliche, temporäre Besiedlungen der Region wie für die bergbauliche Erkundung und Erschließung. Noch heute sind sogenannte „Altwege“ sichtbar. Viele bauwürdige Vorkommen und Lagerstätten von nutzbaren Gesteinen und auch Erzen waren direkt angeschnitten oder durch die unzähligen kleinen und großen Zuflüsse und Nebentäler erreichbar.

 

 

Blick von der Katharinenhöhe bei Oederan über das Flöhatal zur Augustusburg. Dieses Schloß ist sicher das bekannteste, aber nur eines von vielen, die am Tal der Zschopau stehen.
   

 

Der im Folgenden wiedergegebene Beitrag von Karlheinz Hengst ist um eine Erklärung von Herkunft und Entwicklung des Gewässernamens Zschopau in Sachsen bemüht. Anhand von urkundlich überlieferten Namensformen seit rund einem Jahrtausend erweist sich einerseits eine Herleitung aus dem Slawischen als verfehlt und andererseits eine Erklärung als Bildung schon in germanischer Zeit als begründet. Die ermittelte sprachliche Semantik des Hydronyms wird durch die geographische Situation am Flusslauf gestützt.

Link zur Originaldatei: http://www.qucosa.de/fileadmin/data/qucosa/documents/17976/15_Hengst_FINAL_WEB.pdf

 

Wie kam die Zschopau zu ihrem Namen?
Ist der Flussname Zschopau slawischer oder germanischer Herkunft?

Autor: Karlheinz Hengst

  

1. Was ist an Flussnamen überhaupt interessant?

Flüsse sind seit Menschengedenken als Lebensadern einer Region bedeutungsvoll. Flüsse spendeten stets Nahrung und waren Leitwege des Verkehrs. Flüsse waren die Kraftquellen erster technischer Anlagen. Flüsse beschäftigen die Menschen mit ihrer Wassergewalt bis heute. In der zwischenmenschlichen Kommunikation waren die Flüsse von jeher wichtig für die Orientierung im weitläufigen Gelände. Die Namen von Flussläufen sind die ältesten uns überkommenen sprachlichen Zeugnisse aus der Vor- und Frühzeit unserer Heimat. Die Namen der Flüsse wurden seit Jahrtausenden von Generation zu Generation nur mündlich übermittelt. Wechselnde ethnische Gruppen oder Völker behielten die ihnen bekannt gewordenen Namen der großen Gewässer bei. Dabei besaßen diese Namen vor Jahrtausenden bzw. auch bei jüngeren Bildungen vor Jahrhunderten durchaus auch einen inhaltlichen Informationswert. Sie dienten nicht nur als (a) Benennungen der Unterscheidung bzw. Identifizierung, sondern sagten (b) auch etwas Merkmalhaftes über das jeweilige Gewässer aus.

Im Laufe der Geschichte und infolge der sprachlichen Entwicklung sind für die Namenbenutzer unserer Zeit schon seit etwa siebenhundert bis tausend Jahren allerdings die ursprünglich mit dem jeweiligen Namen verbundenen Angaben zu dem auffälligen Merkmal des jeweiligen Gewässers nicht mehr verständlich bzw. nicht mehr ohne weiteres entschlüsselbar. Wenn es bei dem Namen der Chemnitz für die slawischen Siedler im Altsiedelgau um Rochlitz noch im 8./9. Jahrhundert die auffälligen großen Steine im Fluss waren, die sie veranlassten, nach diesem Merkmal das Gewässer Kamenica zu nennen, so bedarf doch selbst ein solch relativ junger Name zumindest im heute nicht mehr slawischen Sprachraum von Sachsen eben besonderer Erklärung. Für Gewässer mit noch weit älteren Namen sind daher die der Namengebung zugrundeliegenden Merkmale erst recht nicht mehr ohne ganz spezielle sprachgeschichtliche Untersuchungen auszumachen.

 

2. Welche historischen Formen bietet der Name Zschopau?

Wichtig und hilfreich für die sprachgeschichtliche Analyse eines geographischen Namens zur Aufhellung seiner ursprünglichen Bedeutung sind seine ältesten schriftlich überlieferten Formen. Bei dem Flussnamen Zschopau haben wir die frühesten Formen aus dem 12. und 13. Jahrhundert:

Um 1150 Scapha, 1226 (spätere Fälschung) Scapa, 1292 usque Schapam, 1293 Zschape, Zcopa.

Nach seiner Lage am Fluss ist auch der Ort mit seiner mittelalterlichen Burg Wildeck benannt worden: 1286 Schape, 1292 civitas Schape, 1378 Scape, 1392 zcu der Czappe, 1406 Czschope, 1414 Sloß vnd Stad Tsczhope, 1452 Zcschope, 1540 Zschopaw. (Eichler 2001: 2: 668).

 

3. Was ist aus den schriftlich fixierten Formen zu erkennen?

Gut ablesbar ist sofort zweierlei: Erstens, die Formen mit <o> sind jünger als die mit <a>. Das ist eine sehr wichtige Beobachtung, die uns weiter unten nochmals beschäftigen wird. Zweitens, der Anlaut mit gesprochen [tsch] tritt erst am Ende des 13. Jahrhunderts in der schriftlichen Überlieferung so eindeutig auf, vgl. 1293 Zschape, und ist also hinsichtlich der älteren Lautverhältnisse noch zu prüfen.

Schwieriger zu erklären sind die Formen ca. 1150 Scapha, 1226 (spätere Fälschung) Scapa,1292 usque Schapam [bis zur Zschopau, -am hier lat. Akkusativ zu einem Nominativ lat. Schapa]. Diese Schreibformen geben zum einen wahrscheinlich doch eine der gesprochenen mittelhochdeutschen (mhd.) Lautung nahekommende Gestalt an, freilich mit Latinisierung im Auslaut in den Urkunden [-a], zum anderen belegen sie auch seit Ende 13. Jahrhunderts umgangssprachlich übliche Formen mit Abschwächung des gesprochenen Auslautvokals /ə/, in Schrift umgesetzt als /e/, vgl. deutlich ab 1286 Schape usw. (Eichler, 2001: 2, 668 mit genauen Quellenangaben). Die dort ausgeführte Problematik des Namens ist auch Anlass für eine hier nochmals erfolgende Erörterung. Einen weiteren Anstoß gab auch der Germanist und Siedlungshistoriker Hans Walther (2004: 21) mit seinen Bemühungen um die Herleitung des Namens.

Die Graphien mit in der Schrift anlautend <sc> sind nicht absolut eindeutig interpretierbar: Einerseits können sie hinweisen auf ein älteres althochdeutsch gesprochenes [sk], das um die Mitte des 11. Jahrhunderts zu gesprochenem [sch] geworden ist, vgl. ahd. Scōni, altsächs. (= altniederdt.) skōni, mhd. Schoen‚ schön‘. Andererseits ist <sc> gerade im Anlaut auch häufig Zeichen für [tsch], also für slaw. /č/ bzw. sogar für [schtsch]. Da letztere Anlaute für Namen aus dem Slawischen bekannt sind, ist diese nach zwei Seiten hin interpretierbare Schreibung <sc> zu beachten (vgl. dazu weiter unten unter 4.).

Etwas rätselhaft ist auch die Schreibung um 1150 <pha>. Man könnte geneigt sein, diese Schreibung mit <ha> als eine verkürzte Wiedergabe von -aha seitens des Schreibers zu werten oder vielleicht aber auch nur das <h> als ein Indiz für die Kennzeichnung eines Gewässernamens aufzufassen, denn der Auslaut-Vokal <a> in der lateinisch geschriebenen Urkunde ist ja sicher der lat. Grammatik geschuldet. Doch auch eine ganz andere Ursache kann vorliegen: Der Schreiber kann eine ihm bekannte lateinische Schreibung verwendet haben, nämlich lat. Scapha‚ Kahn, Boot, Nachen‘, mittellateinisch dann auch mit der Bedeutung ‚Napf ‘.

Das führt sofort zu der Frage: wollte der Urkundenschreiber damit den Flussnamen möglicherweise verständlich machen oder gar auf seine Art „etymologisieren“? Oder hat er einen ganz anderen Grund gehabt, gerade diese lateinische Wortform für den Gewässernamen zu verwenden? Bereitete die in der Kommunikation verwendete Namensform Schwierigkeiten bei der Transposition in Schriftform? Es ist müßig, heute nach Antworten auf diese Fragen zu suchen. Außerdem kann ja auch rein zufällige Homographie des Flussnamens mit dem lateinischen Lexem vorliegen. Da die Form Scapha (so zweimal) von einem Schreiber des Klosters Hersfeld in einem einer Urkundenkopie von 981 beigefügten Kommentar vorkommt, ist auch die ausgesprochene Ortsferne zur Zschopau mit zu bedenken. Fest steht aber, dass die Schriftform Scapha in der Urkunde auf jeden Fall der Identifizierung des konkreten Objekts diente und auch verstanden wurde.

Damit ist wohl auch gewiss, dass die Graphie des Namens durchaus eine Nähe zur damals gesprochenen Form, also zur Lautgestalt des Flussnamens, besaß. Dem <h> ist wahrscheinlich keine besondere Bedeutung zuzumessen, denn der nächste Beleg 1226 Scapa zeigt eine auffällige Nähe zu der Form aus der Mitte des 12. Jahrhunderts.

Da die urkundlichen Belege aus dem 12. und 13. Jahrhundert die Grundlage für die weitere Rekursion bei der Rekonstruktion einer vorschriftlichen Ausgangsform sind und wir damit in die Zeit des hochmittelalterlichen Landesausbaus durch deutsche Neusiedler unter Mitwirkung von slawischen Siedlern gelangt sind, ist es ratsam, bei der weiteren Betrachtung sowohl an eine slawische als auch an eine nichtslawische Ausgangsform bei dem Flussnamen zu denken und die entsprechenden Erklärungsmöglichkeiten zu prüfen. Das sogar umso mehr, als der Regensburger Germanist und Sprachforscher Albrecht Greule in seinem neuen Lexikon Deutsches Gewässernamenbuch ausdrücklich zu dem Flussnamen Zschopau vermerkt „unsichere Deutung“.

 

4. Ist eine slawische Ausgangsform möglich?

Der 130 km lange Fluss ist sicher den Slawen bekannt gewesen und auch mit einer slawischen Namensform in der Kommunikation verwendet worden. Dafür spricht, dass die in die Zschopau mündende Flöha mit „nur“ 67 km Länge auch eine slaw. Form besaß, die in dem ON Plaue nahe der Stadt Flöha bewahrt worden ist (Eichler2001: 1, 263). Hinzu kommt, dass die Zuflüsse zur Zschopau mit den Namen Preßnitz, Pöhlbach, Sehma und Wilisch ebenfalls slaw. Namen tragen. Eine etwa erst in mhd. Zeit erfolgte Namensgebung für die Zschopau wie bei der östlich benachbarten Mittweida scheidet definitiv aus.

Die windungsreiche und durch das enge felsige Flusstal auffällige Zschopau mündet bei dem Dorf Schweta westlich Döbeln in die Freiberger Mulde. Der Unterlauf der Zschopau liegt folglich im slaw. Altsiedelgau Daleminze. Die Namensgebung seitens der slaw. Siedler könnte dort durchaus ab dem 7. Jahrhundert erfolgt sein.

Auf Grund der ältesten erhaltenen historischen Namenformen kommt nur eine slawische Form mit dem Vokal /a/ in Betracht. Ein überzeugender etymologischer Anschluss zu einem Anlaut mit *čap- ist für das Slawische nicht zu finden. Ansetzbar ist hingegen eine slawische Namensform *Ščapava. Basis ist dabei slaw. *ščap-, das als Wort im gesamtslawischen Verbreitungsgebiet vertreten ist, meist in der Bedeutung ‚Holzscheit‘ oder ‚Stab, Stock‘ (Vgl. dazu Vasmer 1958: 3, 443). Urslaw. *ščapъ wird mit der Grundbedeutung (Greule 2014: 718)‚ abgespaltenes Stück Holz (Holzscheit), Stab‘ in der Forschung angesetzt (Schuster-Šewc 1985: 1410). Für den Gewässernamen wäre also vielleicht von einer Semantik ‚Holz mitführendes Gewässer‘ o. ä. auszugehen. Es lässt sich auch spekulieren, ob mit dem Namen der Zufluss zur Freiberger Mulde als vergleichsweise‚ abgespalten wie ein Holzscheit‘ gekennzeichnet werden sollte. Es müsste dann quasi ein Vergleich der geographischen Auffälligkeiten zugrunde liegen, und aus sprachwissenschaftlicher Sicht könnte man an metaphorische Namengebung denken. Das umso mehr, als die Zschopau auch im Unterlauf nördlich von Waldheim streckenweise auffällig eng eingeschnürt zwischen steilen Felshängen verläuft. Auch russisch veraltet popast’ v ščap‚ in die Enge, in die Klemme geraten‘ (Pawlowski 1960, 1756) signalisiert eine gewisse semantische Verbindung zu den geographischen Gegebenheiten des Flusslaufes.

Nun ist an dieser Stelle aber ein weiteres Faktum zu beachten. Für eine Erklärung aus dem Slawischen mangelt es auch an vergleichbaren Namen aus dem westslawischen Sprachraum. Weder im Polnischen noch im Tschechischen oder gar im Südslawischen lässt sich ein zu *ščapъ gebildeter Name finden. Bislang bietet die slawische Hydronymie nur einige Namen im ostslawischen Sprachgebiet. So findet sich ein Name im Flussgebiet der Oka in Russland. Links vom Unterlauf der Oka gibt es einen Gewässernamen im Namen einer Schlucht (ovrag) Ščapovskoj (Smolickaja 1976: 217) – erklärbar vermutlich als ‚Schlucht mit Durchfluss der Ščapova‘. Damit ist zwar wiederum eine ‚Enge‘ mit der Angabe ‚Schlucht‘ erwiesen, aber ob der Gewässername selbst auf solche Enge hinweist, bleibt unklar. Zwei weitere Flüsse tragen den Namen Ščapicha und fließen in den Gebieten von Kostroma und Perm’ (Vasmer 1969: 5, 307). An dem Fluss Ščapicha im Gebiet Perm’ liegt auch ein Ort gleichen Namens (Vasmer/Bräuer 1981: 85).

Darüber hinaus lassen sich in Russland weitere Siedlungsnamen nennen: Ščapina, Ščapino, Ščapichino, Ščapicy, Ščapova und 13 Orte Ščapovo (ebda.). Aber es ist aus der Ferne und noch dazu ohne historische Belege nicht beurteilbar, ob sie mit dem Namen Zschopau und seiner Überlieferung in Verbindung gebracht werden können. So fällt auf, dass einzelne dieser Namen Varianten im Anlaut besitzen und auch der Vokalismus zwischen /a/ und /e/ wechselt. Bei den ON ist außerdem vor allem zu beachten, dass sie einen PN enthalten können. Der russische PN Ščap ist auch in Familiennamen belegt. Auch im Polnischen ist der PN Szczap 1444 belegt (Rymut 2001: 525).

Die Basis an vergleichbaren Hydronymen im Slawischen ist also bescheiden. Die slawische Hydronymie ist insgesamt leider noch nicht ausreichend aufgearbeitet, so dass eine endgültige Klärung zu den genannten Flussnamen bezüglich ihrer Etymologie noch aussteht. Insgesamt ist also eigentlich beim heutigen Forschungsstand kein endgültiges Urteil möglich und slaw. Herkunft des Namens Zschopau nicht ausschließbar, sondern weiterhin als möglich zu erwägen.

Allerdings spricht eine weitere Umschau unter den genuin slawischen Gewässernamen im südlichen Sachsen gegen die Annahme eines primär slawischen Namens bei der Zschopau. Da ist zunächst zu beachten, dass auch andere Gewässer durch Schluchten und Felsenengen verlaufen, so z. B. die Pockau, also ein ‚tief eingeschnittene Wasser‘ u. U. gar keine besondere semantische Signalwirkung besessen haben könnte. Hinzu kommt mit vielleicht noch mehr Gewicht, dass der Flussname Zschopau kein einziges Mal in seinen frühen urkundlichen Formen einen Hinweis auf ein slawisches Suffix -ava etwa in Gestalt von <aw> oder <ow> bietet. Das ist schon recht auffällig. Selbst ein auf einem alten slawischen Flurnamen beruhender ON wie Glauchau etwas weiter westlich erscheint noch im 13. und 14. Jahrhundert als Gluchow(e). Es lässt sich daher mit einiger Vorsicht folgern, dass die slawische *Ščap- Form wahrscheinlich gar kein Suffix besaß und wie eine Adjektivform einfach *Ščape (mit vielleicht zu ergänzendem rěka) lautete. Auf diese – mit einiger Vorsicht getroffene – Feststellung wird weiter unten nochmals zurückzukommen sein.

Zu bedenken ist zugleich auch noch dies: Es ist durchaus möglich, dass die Slawen einen ihnen bekannt gewordenen Flussnamen aus noch älterer Zeit, also einen aus dem Germanischen übernommenen Gewässernamen, sekundär mit dem Lexem slaw. *ščapъ verknüpften, um ihn für sich in ihrem Sprachgebrauch „scheinbar“ an ein bekanntes Wort – mit auch zur Realität passender Bedeutung – anzuschließen und wieder etwas semantisch verständlich zu machen. Ein solcher Vorgang wird als „scheinbare sekundäre semantische Verankerung“ bezeichnet. Dann wäre u. U. die Graphie <sc> um 1150 als ein Bemühen um Wiedergabe dieses im Mittelhochdeutschen ungewöhnlichen Anlauts zu interpretieren. Der Name wäre dann als von Anfang an mit einem für das Mittelhochdeutsche eigentlich fremden Anlaut eingedeutscht aufzufassen, der lediglich später im Frühneuhochdeutschen in Analogie zu den aus dem Slaw. eingedeutschten geographischen Namen mit anlautend [tsch] entsprechend in der Schrift mit Zsch- angeglichen wurde.

  

5. Gibt es noch eine andere Erklärung für die Ausgangsform des Flussnamens?

Möglich ist auch die Annahme, dass die im 12./13. Jahrhundert urkundlich verbrieften Formen Scapha und Scapa auf einer im Mittelalter gesprochenen Form beruhen, die die Schreiber in den lateinischen Urkunden mit Auslautlatinisierung selbst vielleicht als [schapa] hörten oder sprachen. Auch 1292 usque ad Schapam bestätigt dies u. U. nochmals (jetzt mit lateinischer Akkusativendung).

Da die deutschen Sprecher ab dem 10. Jahrhundert mit Eroberung und erster administrativer Erschließung des bis dahin slawisch besiedelten Gebietes östlich der Saale den Flussnamen von slawischen ortskundigen Sprechern gehört und übernommen haben müssen, lässt sich eine noch im 9. und wahrscheinlich auch im 10. Jahrhundert gesprochene slawische Form *Skapava rekonstruieren. Warum -ava? Letzteres ist das typische slawische Gewässernamensuffix, d. h. also, dass ein vielleicht noch älterer und übernommener Name an das slawische grammatische System angepasst worden sein kann. Die slawische Form mit *Skap- kann eventuell. den deutschen Sprechern schon sehr früh durch reisende Händler bekannt geworden sein. Es ist aber auch möglich, dass infolge des Übergangs von kurzem slaw. /a/ zu /o/ im 9. Jahrhundert und damit zu eigentlich erwartbarem slaw. *Skop bei unserem Flussnamen von den deutschen Schreibern noch die Wiedergabe eines damals zwischen /a/ und /o/ stehenden slaw. Übergangslautes mit graphisch <a> erfolgt ist und folglich auch die ahd. Aussprache [a] gewesen sein dürfte.

Die von dem sorbischen Sprachforscher Ernst Mucke einmal angegebene sorbische Form Sapawa hat er selbst gebildet. Sie war nie im slawischen Sprachraum verwurzelt oder gebräuchlich. – Für die sorbische Form Šučici mit der Angabe ‚die Rauschende, Tosende‘ (Wikipedia, Art. Zschopau, Fluss: Aufruf vom 21.8.2013) ist die Herkunft schleierhaft. Eine solche Form ist mit der Geschichte des Gewässernamens nicht zu vereinbaren. Es handelt sich wohl um eine konstruierte Neuschöpfung mit obendrein falscher Wortbildung (-ici statt -ica) zu obersorb. šučeć ‚rauschen, brausen‘ nach Pfuhl (1866: 731).

Ob die Slawen den Flussnamen wirklich an das ihnen vertraute *ščapъ angepasst haben (vgl. zur Möglichkeit oben unter 4.), eventuell. also eine Form *Ščapava oder eher noch *Ščapa existierte, lässt sich zwar vermuten, aber es ist nicht (mehr) beweisbar. Ebenso vorstellbar ist, dass von den Slawen ein ihnen mit der Form *Skap- vermittelter Name als slaw. *Skapa bewahrt und fortgeführt wurde. Es ist an dieser Stelle zu fragen, welche Bildung und Semantik eine vorslaw. Namensform gehabt haben könnte.

 

6. Was aber bedeutete ein möglicher vorslawischer Name ursprünglich?

Aus dem Slawischen ist der Flussname mit einer Form *Skap- und dem Anlaut *Sk- nicht erklärbar. Eine Entwicklung zu der heutigen Namensform wäre da nie möglich gewesen. Der Name muss daher dann schon älter sein und bereits in germanischer Zeit geprägt worden sein. In Betracht kommt eine germanische Form mit *Skap- aus einer noch älteren vorgermanischen (also indoeuropäischen) Wurzel, die das Germanische aus voreinzelsprachlicher Zeit ererbt hat und für die Bildung unseres Gewässernamens verwendet worden sein kann. Die germanische Wurzel wurde erschlossen als *skap-ja- ‚erschaffen, bewirken‘ mit Verweis auch auf altnordisch nominal skapa (vgl. Kluge 1995: 709 unter schaffen). Eine ältere Bedeutung, aus dem Indogermanischen ererbt und noch im Germanischen bekannt, dürfte ‚mit scharfem Werkzeug schneiden, spalten‘ gewesen sein (Pfeifer 1989: 1488 unter schaffen). Bei einem Gewässernamen ist daher durchaus mit einer Bedeutung der germanischen Wurzel im Sinne von‚spalten, tief einschneiden‘ zu rechnen. Und germanische Lexeme wie altsächs. skap ‚Gefäß‘ und die von den germanistischen Wortforschern genannten Formen got. gaskapjan‚erschaffen‘ und mit Labialwechsel (= b statt p) in ahd. giscaban (8. Jahrhundert), scaban (9. Jahrhundert)10 lassen auch ein germ. *Skap- für einen Gewässernamen annehmen.

Wann ein möglicher germanischer Flussname mit *Skap- ‚tief eingeschnitten‘ plus möglichem Grundwort *ahwō‚ Wasser‘ oder nach Albrecht Greule eher kurz *Skapō (fem.) gebildet wurde, bleibt dunkel. Sicher ist nur folgendes: Wenn es einen germanischen Flussnamen für die heutige Zschopau gegeben hat, dann ist dieser Name beim Einzug der Slawen in das vorher germanisch besiedelte Gebiet bald nach 600 n. Chr. ins Slawische übernommen worden.

Der germanische Gewässername am nordöstlichen Rand des einstigen germanischen Sprachgebiets bzw. das zu seiner Bildung verwendete Sprachmaterial hatte sicher die für das Germanische typische Germanische Lautverschiebung mitgemacht. Diese Lautverschiebung fand in den letzten Jahrhunderten v. Chr. statt. Aber unseren Flussnamen hat dann infolge seiner Übernahme ins Slawische die zweite oder althochdeutsche Lautverschiebung nicht mehr erreicht, sonst hätte das die Konsequenz gehabt, dass das /p/ verändert worden wäre und er eine Form *Skaf- oder *Skapf- angenommen hätte.

Es kann sich also daher bei der Zschopau um einen mit großer Wahrscheinlichkeit in germanischer Zeit geprägten Namen handeln. Er stellt sich dann solchen Flussnamen wie Mulde und Elster an die Seite. Er müsste spätestens vor 1500 Jahren gebildet worden sein, kann aber auch ein Alter von rund 2000 Jahren oder noch etwas mehr besitzen. Die ursprüngliche Bedeutung der germanischen Form war wohl etwa ‚tief eingegrabenes Gewässer‘. Bestimmendes Merkmal und damit namengebendes Motiv war demnach der sich zwischen Felsen durchzwängende Wasserlauf, also das Erscheinungsbild im Unterlauf der Zschopau.

Ähnliches gilt auch für den ON Schkopau nördlich Merseburg, 1184 (A. de) Scapowe, vgl. Eichler ( 1993: 3, 196), für den daher ebenfalls eine germanische Bildung angenommen wird. Zu den Schwierigkeiten eines slawischen Ansatzes *Skap- hat sich Ernst Eichler (ebd.) nach längeren Recherchen klar geäußert.

Der Indogermanist Dr. Harald Bichlmeier von der Universität Halle ist als Mitarbeiter am Etymologischen Wörterbuch des Althochdeutschen in Jena ein vorzüglicher Kenner der ältesten sprachlichen Verhältnisse und ein für die Erhellung alter Sprachformen in Namen bereitwillig mitwirkender Fachmann. Nach seiner Meinung könnte die volle Form des germanischen Hydronyms etwa *Skap(a)-ahwō gelautet haben mit der Bedeutung ‚Wasser des Einschnitts‘ [im Gelände] oder ‚eingeschnittenes Wasser habend‘. Briefliche Mitteilung vom 30.8.2013.

 

7. Ist eine Entscheidung zwischen germanischer oder slawischer Herkunft möglich?

Nach den bisher vorgetragenen sprachlichen Erörterungen ist die Frage nach einer aus heutiger Sicht zu bevorzugenden Erklärung des Gewässernamens Zschopau sicher durchaus berechtigt. Hier gleich die Antwort vorweg: Eine ursprünglich germanische Namensgebung ist sehr wahrscheinlich. Eine genuin slawische Namensform als Ausgangsbasis und somit primär slawische Namensgebung liegt sehr wahrscheinlich nicht vor. Dazu nun noch einige nähere Begründungen:

Die in slawischer Zeit gebildeten Gewässernamen insbesondere zum Erzgebirgsraum und seinem Vorland zeigen durchsichtige Strukturen vor allem mit den Suffixen -avica, -’nica, -ica und vereinzelt -ava. Die Suffixe sind in der Überlieferung gewahrt worden und in den Schriftformen gut erkennbar. Die Zschopau weist kein entsprechendes Suffix auf. Und es findet sich im westslawischen Sprachraum kein vergleichbares Hydronym – ganz im Unterschied zu allen anderen Gewässernamen in den slaw. Altsiedelgebieten Sachsens.

Neben der Länge des Flusses und seiner Mündung in einem klimatisch und von der Bodenqualität her besonders günstigen Gebiet, das bereits vorslawisch dünn besiedelt gewesen ist,14 sprechen – bei genauer Betrachtung – auch die tradierten Namenformen der Zschopau für eine germanische Herkunft.

Die Entscheidung für eine germanische Herkunft des Namens bedarf einer etwas ausführlicheren Erläuterung:

Nach der oben vorgenommenen Betrachtung und Analyse der ältesten Überlieferungsformen wenden wir uns nochmals den Schreibungen mit <sc> und später <sch> zu. Wenn man diese Graphien mit den Schreibungen von Toponymen im slawischen Siedelgebiet in Daleminze usw. vergleicht, ergibt sich ein aufschlussreiches Bild. ON mit heutigem Anlaut Zsch- und einer slawischen Ausgangsform mit Anlaut *č + Vokal + Konsonant sind auffallend oft zunächst mit <sc> und später mit <sch> überliefert. Einige Beispiele:

Zschackau ö. Torgau, 1250 Scakowe, 1267 in Schakowe; Zschannewitz w. Mügeln, 1334 Schanewicz; Zschannewitz sw. Oschatz, 1350 Schanviz; Zschaschelwitz n. Altenburg, um 1200 in Scaslawiz; Zschauitz s. Großenhain, 1180 Scaswiz, 1350 Schawicz; Zschechwitz sö. Altenburg, um 1200 in Scessuwiz, 1288 in villa Scheczewitz, 1294 in Schesewiz, usw.

Daraus ist zu schlussfolgern: <sc> und <sch> sind die Transpositionen für gehört und gesprochen [tsch].Entsprechend lässt sich nun für die Graphien von Zschopau mit den Belegen um 1150 Scapha und 1226 Scapasowie 1291 de Schapa, 1292 Schapa, 1299 Schape, 1307 (plebanus in) Schape(Patze 1955: 370, Nr. 454) usw. darauf schließen, dass wir hier von Anfang an eine Verschriftlichung von [tsch] vorliegen haben. Diese Lesart wird erhärtet durch 1296 (Thilo de) Zcapowe (Patze1955: 322, Nr. 401) und ganz deutlich mit 1326 Hugo in Tschapis (pleba nus) (Pat z e1955: 437, Nr. 557).

Das erlaubt doch mit einiger Sicherheit die Annahme, dass der Gewässername seit dem 10. Jahrhundert mit dem Anlaut [tsch] gehört und in den deutschen Sprachgebrauch übernommen wurde. Eine etwa erst später erfolgte Anlautangleichung zu erwägen ist damit hinfällig.

Zugleich scheidet nach der eben gewonnenen Erkenntnis aber auch die oben (unter 5.) erwogene Möglichkeit aus, dass der slawische Flussname *Skapa oder *Skapava gelautet haben könnte und eine ins Deutsche übernommene Form mit der Verschriftlichung als <Scapa> eine Aussprache [sk] und einen späteren Übergang zu [sch] nach dem Beispiel ahd. sconi > mhd. schön repräsentieren könnte. Eine zunächst als möglich vermutete mhd. Namensform *Schap- und eine spätere Anlautangleichung an zahlreiche Toponyme slawischer Herkunft mit Zsch- bei unserem Flussnamen scheidet damit auch aus.

Das bisher Gesagte wiederum führt weiter dazu, dass die in slawischer Zeit vom 7. Jahrhundert an gebrauchte Gewässernamenform wohl *Ščapa [schtschapa] gelautet haben dürfte bzw. gelautet haben muss. Nach Übernahme in den damaligen deutschen Sprachgebrauch ab dem 10. Jahrhundert ist der Anlaut sicher rasch zu [tsch] vereinfacht worden (vgl. mhd. Tiutsch‚ deutsch‘ < ahd. Diutisc und as. thiudisc). Die slawische Gebrauchsform *Ščapa macht zwar den Eindruck einer Adjektivform, ist aber keine und verfügt über kein slawisches Adjektivsuffix. Somit liegt also auch keine primär slawisch gebildete Namensform vor.

So gelangen wir eigentlich mit relativer Sicherheit zu dem Ergebnis: Bei dem Namen Zschopau muss eine vorslawische, also primär eine germanische Namensform, mit sehr großer Wahrscheinlichkeit vorliegen. Die Belege Scapa und Schapa/Schape aus dem 12. und 13. Jahrhundert weisen auf slaw. *Ščapa [rěka/voda] < germ. *Skapō– also auf das Germanische mit den lexikalischen und grammatisch-wortbildungsmäßigen Voraussetzungen zu einer solchen Bildung.

Aus der germanistisch-slavistischen Zusammenarbeit und der kritischen Prüfung des sprachhistorischen Entwicklungsganges ist letztlich mit der bei solchen weit über tausend Jahre zurückgreifenden „Ermittlungsprozessen“ gebotenen Vorsicht doch eine ursprünglich germanische Ausgangsform mit späterer slawischer Anpassung an das slawische Sprachsystem bei gleichzeitiger Bewahrung der Struktur dieses Lehnnamens konstatierbar.

Nun kann eventuell noch eingewendet werden, dass bei einer slawischen Adaptationsform *Ščapa die Wiedergabe der Anlautgruppe /šč/ im Deutschen Zweifel aufkommen ließe. Diese Bedenken können sich berufen auf sonst <st> für slaw. /šč/. Doch diese Phonem-Graphem-Relation gilt für das südliche westslawische Sprachgebiet nicht für den Anlaut (Eichler 1965: 157f.).

Der slawische Anlaut mit šč- ist in der slawischen Toponymie übrigens ziemlich selten und insgesamt mit nur 8 Lexemen als toponymischen Basen ausgewiesen (Šmilauer 1970: 177f.). Zum Anlaut aber ist zu beachten, dass für die althochdeutsche und mittelhochdeutsche Zeit ein solches Phonem bzw. eine solche Phonemverbindung völlig fremd und ungewöhnlich war. Es muss daher beim Lautersatz mit unterschiedlichen Ergebnissen gerechnet werden. Die Schwierigkeiten des Deutschen mit der slawischen Anlautgruppe šč- haben daher auch bereits Beachtung erfahren.

Der heutige Forschungsstand erlaubt indessen, eine Differenzierung bei der Übernahme ins Deutsche zu erkennen:

Im nördlichen westslawischen Sprachraum mit dem Altpolabischen ist šč- in den überlieferten Formen seit dem 12. Jahrhundert mit <st> verschriftlicht worden, vgl. Stedar (Rügen), 1314 Stedra zu *ščedrъ, Stieten (Kr. Wismar), 1230 Stitene zu * ščitъ (Trautman n1950: 143f.), Stettin/Szczecin, 1133 Stetin, 1188 Stetyn zu *ščetь (Rymut 1980: 236). Im südlichen westslawischen Sprachgebiet jedoch ist die für das Deutsche ungewöhnliche Anlautgruppe nicht mit dem „ersten Teil“, sondern mit dem „zweiten Teil“ – also nicht mit erwartbar ahd. /st/ (gesprochen fast [št]), sondern mit ahd. oder asä. [tš] ersetzt worden. Slaw. šč- ist damit wie das weit häufigere slaw. č- ersetzt und behandelt worden. Slaw. šč- ist damit wie das weit häufigere slaw. č- ersetzt und behandelt worden.

Hinzu kommt noch dies: Eine im 10. Jahrhundert in den deutschen Sprachgebrauch übernommene slawische Lautform als Transsumt ist erst rund zweihundert Jahre später erstmals bei unserem Flussnamen als in Schriftform umgesetztes Transponat belegt. Für einen so langen zeitlichen Verlauf ist eigentlich mit „Abnutzungserscheinungen“ bei dem Namen zu rechnen. Es könnte also in der Zwischenzeit vielleicht sogar ein zuweilen gesprochenes [schtsch] regressiv dissimilatorisch zu [tsch] vereinfacht worden sein. Jedenfalls ist bestechend auffällig, dass die Namensform mit den Schreibungen Scapa und Schapa, Schape sowie Zschape, Czappe, Czschape trotz Sprachwechsels bis ins 14./15. Jahrhundert Stabilität zeigt.

 

8. Gibt es einen mit Zschopau vergleichbaren Namen?

Ernst Eichler hat bei der Behandlung des ON Schkopau nördlich Merseburg auf „die konsequenten -a- Schreibungen in der älteren Überlieferung“ hingewiesen und setzte daher als slaw. „Namenform *Skapov- (evtl. auch *Skapava o. ä.)“ an, „die ihrerseits keinen befriedigenden Anschluß im Slaw. findet, so daß man an vorslaw. ... Herkunft zu denken hat“ (Eichler 1985/2009: 3, 196). Ergänzend vermerkte Eichler noch die sich damit ergebende Verwandtschaft mit dem Namen Zschopau.

Ohne hier die historischen Belege zu dem ON Schkopau zu wiederholen sei dennoch angemerkt, dass als Schriftformen im 12. Jahrhundert <Scapowe> und im 13. Jahrhundert <Zkapowe>, <Skapowe> und <Schapowe>, erst im 15. Jahrhundert <Schkapow> und <Schkopow> belegt sind. Damit lassen die ältesten aufgezeichneten Formen durchaus wiederum an einen Anschluss des vorslawischen Namens an slaw. *ščapъ denken.

Jedoch passt dazu dann im 15. Jahrhundert kein <Schk-> mehr. Die Anlautgruppe Schk- in Toponymen liegt sonst aber vor bei den aus dem Slawischen entlehnten ON mit den Anlautgruppen /sk/ uns /šk/. Das zeigen die ON Schkauditz wsw. Zeitz, Schkeitbar sw. Leipzig, Schkeuditz nw. Leipzig, Schkölen nw. Eisenberg, Schkölen sw. Leipzig, Schkorlopp sw. Leipzig, Schkortitz sö. Grimma. Das nördlich Merseburg gelegene Schkopau hat vermutlich erst sekundär im Deutschen den Anlaut /šk/ erfahren. Dabei hat wahrscheinlich die Merseburger Kanzlei (Bistum Merseburg) in Analogie zu den im Umfeld von Merseburg und Zeitz sw. von Leipzig mehrfach vorkommenden ON mit Schk- slawischer Herkunft die Graphien mit <Schk> (ab 1436) und die diesen auch folgende Aussprache bei dem ON Schkopau bewirkt.

  

9. Wie kam es zu der heutigen Form Zschopau?

Die in ahd. und mhd. Zeit mit [a] gesprochene und auch mit <a> in die Schrift umgesetzte Form unterlag einer im ostmitteldeutschen Sprachraum im Hochmittelalter allgemein bestehenden Tendenz zur Hebung bzw. auch zur Senkung von Vokalen. So kam es im 13. Jahrhundert auch bei dem Gewässer- sowie bei dem gleichlautenden Ortsnamen zur Hebung von a > o. Im 14. Jahrhundert dominierten noch die urkundlichen Schreibungen mit <a> als die eigentlich die ältere Sprechweise wiedergebenden Formen, während im 15. Jahrhundert die Belege mit <a> und <o> wechselten. Die Formen mit /o/ setzten sich letztlich ab dem 16. Jahrhundert als verbindlich durch. Das entspricht dem auch bei anderen Namen beobachtbaren Entwicklungsgang vor allem unter Kanzleieinfluss.

Die in der Mundart erkennbare Dehnung des Vokals in der ersten Silbe in [de dschōbe], fachmännisch geschrieben dədšōb(ə), ist hinsichtlich ihrer Entstehungszeit nicht mehr genau bestimmbar. Es ist anzunehmen, dass zunächst das ursprüngliche /a/ gedehnt wurde, etwa in Analogie zu deutsch haben, laben, schaben, traben, gaben/Gaben, Raben, Waben und erst anschließend dann die Hebung mit Rundung von /ā/ > /ō/ in der Mundart erfolgte (vgl. den bekannten Spruch mit [hāsen] > [hōsn]). Wahrscheinlich beruht eine noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebräuchliche Mundartform für den Ortsnamen Zschopau in Gestalt von [dschābe mai gēsis] 20 auf der älteren mittelalterlichen Aussprache des Namens mit langem a.

Ferner lässt sich seit dem 13. Jahrhundert eine Angleichung des Anlauts an andere geographische Namen mit anlautend [tsch] bzw. in der Schrift <Zsch> beobachten. Die dabei vorkommenden graphischen Varianten sind lange breit gestreut, vgl. z. B. 1406 Czschope, ehe sich ab dem 16. Jahrhundert dann doch Zsch- vereinheitlichend zeigt.

Die noch mit 1452 Zcschope erscheinende Form gibt klar die mundartliche Aussprache im Auslaut wieder. Erst ab etwa 1500 setzt ein kanzleisprachlich bewirktes Angleichen der Auslautsilbe an ON mit entweder -a oder -au ein, letzteres geschrieben auch <aw> wie 1540 Zschopaw.

  

10. Wie sieht das Endergebnis zur Herkunft des Namens letztlich aus?

Der hier besprochene Flussname ist ein sprachhistorisches Kulturdenkmal. Vor rund eintausendvierhundert Jahren ist er mit großer Wahrscheinlichkeit von den Slawen aus dem Germanischen übernommen worden, rund drei Jahrhunderte später an deutsche Sprecher vermittelt worden und damit seit über einem Jahrtausend fest im deutschen Sprachgebrauch. Eine lange Zeit in der Fach- und Heimatliteratur angenommene primär slawische Bildung ist heute als unwahrscheinlich zu beurteilen und scheidet beim jetzigen Forschungsstand aus mehreren oben genannten Gründen aus. Die sprachgeschichtliche Analyse zeigt, dass am ehesten die Slawen den Namen von den Germanen übernommen haben und er ein Alter von sogar über 2000 Jahren besitzen kann.

Solange der Name seinem Inhalt nach allgemeinverständlich war, blieb er unverändert. Das gilt für die germanische Zeit. Mit der Übernahme ins Slawische erfolgte zunächst eine Anpassung des Namens an das slawische Sprachsystem: Die germanische Ausgangsform *Skapō wurde bei Übernahme ins Slawische einem Adaptationsvorgang unterzogen und an slaw. * ščapъ angeglichen. Damit entstand eine etwas veränderte Form *Ščapa für den Flussnamen.

Ein weiterer Adaptationsvorgang vollzog sich danach nochmals auch bei Übernahme aus dem Slawischen ins Althochdeutsche. Dabei wurde die slawische Anlautgruppe reduziert und damit zu [tsch], später geschrieben Zsch-. Sowohl in slawischer als auch in althochdeutscher Zeit dürfte die ursprüngliche Bedeutung des Namens bereits nicht mehr erkennbar gewesen sein. So setzte schließlich ab dem 11. Jahrhundert die der deutschen Lautentwicklung entsprechende weitere lautliche Veränderung des Namens ein, die erst im 16. Jahrhundert – also nach etwa einem halben Jahrtausend – zu einem Abschluss gekommen ist. Da der Name undurchsichtig geworden war, konnte seine Veränderung ohne weitere Bindung an ein bekanntes Wort erfolgen. Erst seit der Zeit der Renaissance und Reformation gilt die heutige Form ohne weitere Veränderungen.

Die Kompliziertheit der Aufhellung von Sprachformen durch Rekonstruktion mit Rückschlüssen noch weit über die Zeit der ersten schriftlichen Überlieferung zurück ist deutlich geworden. Folglich kann auch immer nur eine Erklärung mit einer eingeschränkten Sicherheit geboten werden.

Als ursprüngliche Bedeutung der germanischen Ausgangsform ist – ganz modern ausgedrückt – etwa anzunehmen ‚tief ins Gelände eingeschnittenes Gewässer‘. Die Realprobe im Unter- wie auch im Oberlauf des Gewässers bestätigt dieses markante Kennzeichen noch heute unverändert. Dennoch bleibt der Versuch einer Bedeutungsangabe nach so vielen Jahrhunderten allein auf der Grundlage von Rekonstruktion und Sprachvergleich vage.

 

Literatur

Eichler, Ernst (1965): Studien zur Frühgeschichte slawischer Mundarten zwischen Saale und Neiße, Berlin.— (1985/2009): Slawische Ortsnamen zwischen Saale und Neiße, 4 Bde., Bautzen.

Eichler, Ernst / Walther, Hans (1966/1967): Die Ortsnamen im Gau Daleminze, 2 Bde., Berlin.— (Hg.) (2001): Historisches Ortsnamenbuch von Sachsen, 3 Bde., bearb. von Ernst Eichler, Volkmar Hellfritzsch, Hans Walther und Erika Weber, Berlin.

Geschichte der Stadt Zschopau, Zschopau o.J. [1989]. Greule, Albrecht (2014): Deutsches Gewässernamenbuch, Berlin/Boston.

Hengst, Karlheinz (1968): Strukturelle Betrachtung slawischer Namen in der Überlieferung des 11./12. Jahrhunderts, in: Fischer, Rudolf u. a. (Hg.): Leipziger Namenkundliche Beiträge II, Berlin, 41–58.

Kluge, Friedrich (1995): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 23., erw. Aufl., bearb. von Elmar Seebold, Berlin/New York.

Machek, Václav (1971): Etymologický slovník jazyka českého, Praha.

Patze, Hans (1955): Altenburger Urkundenbuch, Jena.

Pawlowski, Iwan (1960): Russisch-Deutsches Wörterbuch, unveränderter Nachdruck, Leipzig.

Pfeifer, Wolfgang u. a. (1989): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, Berlin.

Pfuhl, Christian Traugott (1866): Lausitzisch Wendisches Wörterbuch, Budissin.

Rix, Helmut u. a. (2001): Lexikon der indogermanischen Verben, Wiesbaden.

Rymut, Kazimierz (1980): Nazwy miast Polski, Wrocław u. a.— (2001): Nazwiska polaków, Bd. 2, Kraków.

Schuster-Šewc, Heinz (1978/1996): Historisch-etymologisches Wörterbuch der ober- und niedersorbischen Sprache, 5 Bde., Bautzen.

S ch warz, Ernst (1960): Sprache und Siedlung in Nordostbayern, Nürnberg.

Smolickaja, Galina Petrovna (1976): Gidronimija bassejna Oki, Moskva.

Šmilauer, Vladimír (1970): Handbuch der slawischen Toponomastik, Praha.

Trautmann, Reinhold (1950): Die slavischen Ortsnamen Mecklenburgs und Holsteins, Berlin.

Tupikov, Nikolaj M. (1989): Wörterbuch der altrussischen Personennamen. Mit einem Nachwort von Ernst Eichler, Köln/Wien.

Unbegaun, Boris O. (1989): Russkie familii, Moskva.

Va s m e r, Max (1953/1958): Russisches etymologisches Wörterbuch, 3 Bde., Heidelberg.— (1969): Wörterbuch russischer Gewässernamen, Band 5, Berlin.

Vasmer, Max / Bräuer, Herbert (Hg.) (1981): Russisches geographisches Namenbuch, Bd. 10, Wiesbaden.

Walther, Hans (1960): Slawische Namen im Erzgebirge in ihrer Bedeutung für die Siedlungsgeschichte, in: BNF N.F. 11, 29–77. — (2004): Historische Gewässernamenschichten als Zeugnisse der Sprach-, Kultur- und Siedlungsgeschichte (= Beiheft zur Karte G II 4 des Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen), Leipzig/Dresden.

 

 

nach oben

Das Zschopautal bei Biensdorf im Winter
 

   

 

Steckbrief zum Fluß „Zschopau“ von Quelle und Mündung

 

Die Zschopau hat ihren Quell auf einem Wiesenareal am Nordhang des Fichtelberges im Naturraum „Mittelerzgebirge“ und verläuft vorerst im Waldgebiet Fichtelberg. Bei Crottendorf wird der erste größere Siedlungspunkt erreicht und ebenso eine sehr bekannte sächsische Kalksteinlagerstätte und auch Erzvorkommen.

Bei Schlettau fasst die Zschopau die Wasser der „Roten Pfütze“, setzt ihren Weg nach Hermannsdorf und Tannenberg fort und tangiert wieder etliche bergmännisch erschlossene Erzvorkommen.

Weiter geht es in Richtung Schönfeld, Wiesa und Wiesenbad und die Wasser des Greifenbaches werden mitgenommen.

Auf dem Weg nach Wolkenstein kommen noch Sehma, Pöhlbach und bei Niederau die Preßnitz hinzu. Die Zschopau ist nun schon ein ansehnlicher Fluß, verließ kurz vor Wolkenstein den Naturraum „Höhenrücken bei Annaberg-Buchholz“ und trat in das sogenannte „Wolkensteiner Riedelland“ ein, das bis nach Zschopau hinab reicht. Bei Wolkenstein wird eines der bedeutendsten Bergbaugebietes des Erzgebirges tangiert.

Zwischen Scharfenstein und Zschopau fließt dann die „Willisch“ aus einem Nebental zu, wo zwei ausgedehnte Kalklager über Jahrhunderte dem Menschen dienten.

Bei der Stadt Zschopau erreicht der gleichnamige Fluß das „Zschopauer Riedelland“ und fließt ohne weitere bedeutende Nebengewässer bis nach Flöha, wo der gleichnamige Fluß in die Zschopau mündet und naturräumlich das „Becken von Flöha-Frankenberg“ erreicht wird, welches auch geologisch betrachtet als Kohlebecken bezeichnet wird und durch intensiven Steinkohlenbergbau des 18./19. Jahrhundert geprägt war.

Kurz nach Frankenberg tritt die Zschopau in den Naturraum „Mittweidaer Lössplateaus“ ein und passiert bei Biensdorf, Sachsenburg und Schönborn weitere Gangerzlagerstätten auf dem Weg nach Mittweida wo der Abbau von Braunkohle im 19. Jahrhundert Sachsenweit Bedeutung hatte.

Bei Kriebstein wird mit der Talsperre Kriebstein die erste und einzige Staustufe erreicht.

Letztendlich mündet die Zschopau bei Schweta im Naturraum „Döbeln-Leisniger Muldeland“ die Zschopau in die Freiberger Mulde.

 

Etwas Statistik

Die Zschopau legt einen 130 km langen Weg von der Quelle bis zur Mündung in die Freiberger Mulde zurück. Dabei muss der Fluss 970 Höhenmeter „überwinden“. Die Quelle liegt in gut 1.125 m NN und die Mündung in die Freiberger Mulde bei nur noch 155 m NN.

Die mittlere Wassermenge, welche dieser Fluss im Durchschnitt transportiert, wird bei Eintritt in die Talsperre Kriebstein, als einzige Talsperre der Zschopau, welche im Unterlauf gut 18 km oberhalb der Flussmündung liegt, mit schätzungsweise 740 Mio. m³ angegeben. Dieser Wert entspricht etwa dem 63-fachen Fassungsvermögen der Talsperre, die zur Zeit der Inbetriebnahme 1929 bei 11,66 Mio. m³ lag. Die im Laufe der Zeit eingetretenen Verschlammung begrenzt die Sperre auf nur noch 6,66 Mio. m³, dabei wird die Verschlammung seitens des LfUG auf ein Volumen von etwa 5 Mio. m³ geschätzt. Dieser Umstand wirkt sich wohl auch auf den Hochwasserschutz unterhalb der Talsperre aus und wurde in diversen Gutachten erörtert. Die Talsperre war ursprünglich zur Energieerzeugung errichtet und nicht unbedingt zum Hochwasserschutz.

Nachstehend eine Auflistung einiger namentlich in modernen Kartenmaterial verzeichneten Fließgewässern die in die Zschopau einmünden:

Gewässer Ort der Einmündung
   
Rosenbach Walthersdorf
Kleine Sehma Schlettau
Rote Pfütze Schlettau
Lohenbach Tannenberg
Greifenbach Tannenberg
Sehma Wiesa
Neundorfer Bach Wiesenbad
Pöhlbach Wiesenbad
Peßnitz Niederau
Heidelbach Floßplatz bei Wolkenstein
Hüttenbach Floßplatz bei Wolkenstein
Großolbersdorfer Bach vor Scharfenstein
Drehbacher Bach Grießbach
Wilisch Wilischthal
Gansbach Zschopau
Krumhermersdorfer Bach Zschopau
Truschbach Zschopau
Staupenbach unterhalb Witzschdorf
Schwarzbach Erdmannsdorf
Mörbitzbach Flöha
Schweddeybach Flöha
Flöha Flöha
Erlbach Niederwiesa
Altenhainer Bach Braunsdorf
Frauenholz Bach Braunsdorf
Mühlbach Frankenberg
Holzbach Frankenberg
Lützelbach Frankenberg
Kalkbach Biensdorf
Ottendorfer Bach Krumbach
Bleibach Wolfsberg b. Schönborn
Waldbach Schönborn
Hermsdorfer Bach Ringethal
Lahmer Bach Ringethal
Erlbach Talsperre Kriebstein
Schweikershainer Bach Bei Neuschönberg
Reinsdorfer Bach Waldheim
Mortelbach Waldheim
Hechelbach Bei Steina

Die Zschopau besitzt nur eine Talsperre, die im Unterlauf des Flusses angelegt ist. Doch das Einzugsgebiet des Wassers für den Flusslauf ist durch einige Talsperren reguliert. Nur 5 Talsperren und Rückhaltebecken geben ihr Wasser direkt an die Zschopau ab. Allein 8 Sperren wirken aber auf die Flöha, die erst in der gleichnamigen Stadt der Zschopau zufällt. Das gesamte Wassereinzugsgebiet an der Talsperre Kriebstein wird vom LfUG mit 1.738 km² angegeben. Davon unterliegen nur 214,16 km² einer Regulierung durch Rückhaltebecken und Talsperren, der Rest von 1.523,84 km² ist ein nicht regulierbarer Zufluß!

 

 

nach oben

Das Zschopautal bei Schönborn-Dreiwerden-Seifersbach im Sommer